
Heute darf ich (Claire) mal an die Tastatur. Die letzten Tage haben wir viele Museen besucht und viele Monumente oder Institutionen gesehen. Was vielleicht nicht in unseren Bericht deutlich wird, ist die Tatsache, dass um all diese spanneneden Orte zu besuchen, wir viel Zeit in zwei großen weißen Vans verbringen. Distanzen sind einfach ganz anders als in Deutschland. Um beispielsweise zum Devils Tower zu gelangen sind wir ganze sechs Stunden gefahren. Dennoch ist es nicht verschwendete Zeit. Die Autofahrten geben uns die Möglichkeit zum sacken lassen und begreifen. Immer wieder kommen Themen wie Rassismus, Politik und kulturelle Eigenarten zur Sprache. Partners in Peace findet also definitiv auch während der langen Autofahrten statt!
Am Dienstag besuchten wir die Gedenkstätte zum Massaker am Wounded Knee. 1890 wurden ca. 150 Native Americans von der US. Army ermordet. Die Stätte ist klein. Es gibt einen grauen Mamorstein, der in einem abgezäunten Bereich eines kleinen Freidhofs mitten in den Badlands steht. Innerhalb dieses Zaunes befindet sich das Massengrab. Es gibt kein Museum nur eine Infotafel, die die Natives selber aufgestellt haben, denn die US Regierung hat das Massaker nie als solches anerkannt. Toni erzählte uns, dass es immer noch „Medalls of Honour“, Auszeichnungen für besondere Leistungen, für die Soldaten von damals gibt. Nie wurden ihnen diese Auszeichnungen aberkannt und den Natives die Ermordung ihrer Leute anerkannt. Wieder im Van machen wir unserem Unverständnis Luft. „Wieso gibt eine Regierung nicht zu, dass sie Unrecht getan hat?“ Beispiele wie der deutsche Genozid in Namibia oder der Genozid in Ruanda werden diskutiert. Am Abend geht es bei unserer Gesprächsrunde nur mit den Jugendlichen (uns begleiten acht Erwachsene) unter Anleitung von Jackie, einer Youth Minister der UCC, genau um dieses Thema. Was muss passieren, damit ein Unrecht, wie etwa die Vertreibung der Natives wieder gut gemacht werden kann? Ist es überhaupt möglich ein Unrecht gut zu machen?
Die Zeit mir Jackie ist sehr spannend. Wir besprechen die Nutzung eines Native American Abbildes als Football-Maskottchen und eine Veröffentlichung von Toni zur „Doctrine of Discovery“ (Lehre der „Entdeckung“ Amerikas). Immer wieder kommen Motive auf, die auch in der Weltgeschichte nicht unbekannt sind. Die Ignoranz der westlichen Mächten, die glauben, dass ihre Art und Weise zu leben die einzig Richtige sei und dass sie allen anderen Völkern überlegen seien und daher auch über sie bestimmen dürfen. Von diesem Denken kann man sich selbst auch nicht freisprechen. Vor Jahren gab es einmal eine Gruppe, so wie wir, die helfen wollten und im Reservat Spielplätze gebaut haben. Ein Jahr später war von ihnen nichts mehr übrig, da die Anwohner das Holz aus dem die Geräte gemacht waren, viel mehr brauchten als die Spielplätze. Die Gruppe meinte zu wissen, was die Leute brauchten. Aber sie hörten Ihnen nicht zu, haben sie vielleicht nicht einmal gefragt was sie wollten, ob sie überhaupt etwas wollten. Toni und Jackie haben uns zu verstehen gegeben, dass wir nicht hier sind um etwas zu tun. Wir sind nicht hier um die Welt zu retten. Wir sind zunächst einmal hier um zuzuhören was die Leute um uns herum zusagen haben. Was kann ich von Toni und ihrem Mann Byron, was von ihrer neunjährigen Enkelin Onia oder von Peter und Julie, die schon 20 Jahre die Tour machen, lernen? Was kann Jordan einem darüber erzählen wie es ist als Afro Amerikaner in den USA von heute aufzuwachsen, dass dieses Jahr von Blacklivesmatter Bewegungen und einem Präsidentschaftskandidaten wie Trump geprägt ist? Was kann ich von einer UCC Kirche lernen, die sich selbst als Justice Church bezeichnet? Und vielleicht auch noch wichtig: Was kann ich über meine persönliche Art wie ich mit Menschen umgehe und wie ich über sie denke, lernen?
Auf dem Weg zur nächsten Unterkunft bestaunen wir noch die Schönheit der Badlands. Bei Wounded Knee gibt der Boden nicht viel mehr her als zähes Gras und sonderbare Felsformationen. Aber im Nationalpark der Badlands kann man rot-beige gestreifte Berge bewundern und auch besteigen. Atemberaubend.
Abends kommen wir dann endlich in Bridger, einem kleinen Ort im Reservat an. Hier arbeitet Byron, als Pastor der kleinen 23-Familien-Siedlung. Den Mittwoch verbringen wir in der kleinen Kirche und dem zugehörigen Gemeinderaum. Im Hof laufen die Pferde frei herum, die Byron nutzt um den Kindern und Jugendlichen aus der Umgebung das Reiten beizubringen. Er fährt jeden Tag zwei Stunden von Eagle Bute, welches mitten im Cheyenne River Reservat liegt, nach Bridger, welches an dessen Rand liegt, um dies zu tun. Abends dürfen wir auch reiten. Dabei lassen Kisa und Angel, Byrons Enkel und sein Freund, uns auf den Pferden alt aussehen. Mühelos treiben sie die Pferde zusammen, während wir bemüht sind, sie am Fressen zu hindern. Es war gefühlt der längste aber ruhigste Tag bisher, vor allem weil es ca. 38 Celsius Grad warm war.
Am Donnerstag geht es wieder weiter, nach Pierre der Hauptstadt South Dakotas.
Claire Brown
